Als das unfassbare geschah - das Schwebebahnunglück vom 12. April 1999

Bei dem bislang folgenschwersten Unglück der Wuppertaler Schwebebahn kamen am 12.04.1999 in den frühen Morgenstunden fünf Personen zu Tode. Was bislang als undenkbar galt, jedoch in den Anfangsjahren der Bahn schon einmal passiert ist, wurde Realität: Ein Schwebebahnzug ist vom Gerüst in die Wupper gestürzt!

Die Wuppertaler Stadtwerke, Betreiberin der Bahn, ließ schon seit einigen Jahren das komplette Fahrgerüst der Bahn erneuern. Dazu wurden die Stützen und die dazwischen liegenden Gerüstbrücken mit den Fahrschienen ausgetauscht. Aufgrund der Bedeutung der Bahn für den Wuppertaler Nahverkehr, rund 70.000 Fahrgäste pro Tag, konnte die Bahn dazu nicht langfristig stillgelegt werden. Daher hatte man zwei Vorgehensweisen zum Austausch der Gerüstteile entwickelt. In den (Schul-) Ferienzeiten, wo mit weniger Fahrgästen gerechnet wird, wurde der Betrieb jeweils für mehrere Wochen eingestellt und zusammenhängende Streckenstücke von mehr als hundert Metern erneuert. Für den Austausch der mehr als 400 Stützen und Brücken reichten diese Sperrpausen nicht aus. Deshalb wurden auch an den Wochenenden der Bahnbetrieb eingestellt und parallel an mehreren Stellen an der Strecke jeweils einzelne Stützen und Brücken ausgetauscht. Dazu wurde der Schwebebahnverkehr am Freitagabend eingestellt und am Morgen des folgenden Montags wieder aufgenommen. Es war wichtig, dass die Arbeiten am Montagmorgen termingerecht abgeschlossen wurden, da der Busersatzverkehr für die Bewältigung des Schüler- und Berufsverkehrs nicht ausreichend Kapazitäten bot.

Zum Austausch der Gerüstteile wurden die Brücken, deren Stützen entfernt werden mussten, durch eine Stützkonstruktion abgefangen. Im Verlauf des Gerüstes sind alle 200 bis 300 Meter sogn. Ankerstützen eingerichtet, die sowohl die Brücken tragen als auch die in Längsrichtung (Fahrtrichtung) wirkenden Beschleunigungskräfte aufnehmen. Zwischen diesen Fuxpunkten sind sogn. Pendelstützen verbaut, die in Gerüstlängsrichtung begrenzt drehbar gelagert sind, so dass sie Längsbewegungen nachgeben können. In der Mitte zweier Ankerstützen befindet sich eine Dehnungsfuge mit Schienenauszug. Hier ist eine sogn. Dilatationsstütze verbaut. Wurde ein Stück des Gerüstes ausgetauscht, musste diese Dilatation fixiert werden. Dazu wurde eine Hydraulik-Stabkonstruktion zur Überbrückung der Dehnungslücke eingebaut. Diese Konstruktion wurde von unter den unteren Träger der Brücken verbaut und ragte somit in den Fahrweg der Bahn hinein. Zur Montage der Konstruktion wurden Flacheinsen an den Fahrschienenträger geschraubt. Diese ragten ebenfalls etwa 25 Zentimeter in das Lichtraumprofil der Schwebebahnzüge hinein. Im Nachhinein wurden diese Montageflacheisen in den Medien als ‚Kralle’ bezeichnet. Nachdem der Austausch der Gerüstteile erfolgt war, musste die Überbrückung der Delatation inklusive der Montagehalterung komplett entfernt werden.

Am Wochenende vor dem Unglück sollten die Stützen 210 und 211 sowie zwei Brücken getauscht werden. Da eine der beiden Stützen eine massive Pendelstütze war, die zugleich ein Bestandteil der Station Robert-Daum-Platz darstellte, waren die Austauscharbeiten aufwendiger, als an den üblichen Baustellen. Wie bei allen Wochenendbaustellen standen die Baufirmen unter einem Zeitdruck, da der Schwebebahnbetrieb am Montagmorgen pünktlich um halb Sechs wieder starten sollte. Während der technisch anspruchsvollen Arbeiten war nur wenig Zeit für Bauverzögerungen vorhanden.

In den frühen Morgenstunden des 12. April 1999 waren insgesamt vier Arbeiter der Baufirma damit beauftragt, sämtliche Dilatationsüberbrückungen aus dem Gerüst zu entfernen. Noch in der Dunkelheit, gegen fünf Uhr, begann ein Verantwortlicher der Baufirma mit der Überprüfung der Arbeiten. Dabei war insbesondere auf die Profilfreiheit des Fahrweges zu achten. Es musste also auch geprüft werden, ob sämtliche Teile der Dilatationsüberbrückungen inkl. der Montageeisen entfernt waren. Der mit der Abnahme betraute Mitarbeiter hatte am fraglichen Morgen keine Taschenlampe dabei; die Baustellenbeleuchtung war schon teilweise abmontiert. So nahm er war, das an der Stütze 206 die Dilatationsüberbrückung bereits entfernt war. Eine der blau lackierten Montageflacheisen übersah er in der Dunkelheit. Gegen 05.25 informierter er die Mitarbeiter in der Leistelle der Schwebebahn über das Ende der Bauarbeiten. Mit geringer Verspätung wurde daraufhin der Fahrstrom wieder eingeschaltet und die Strecke freigegeben. Auf den Einsatz des eigentlich vorgesehen Leerzuges zur Überprüfung der Konstruktion wurde, vermutlich wegen der Verspätung, verzichtet. In den beiden Endstellen fuhren die ersten Züge aus.

Mit leichter Verspätung verließ Wagen 4 gegen 05:35 Uhr die Endhaltestelle Vohwinkel Schwebebahn. Dies war der erste Zug, der nach der Betriebspause die Strecke in östlicher Richtung befuhr. An den folgenden Haltestellen stiegen zahlreiche Fahrgäste zu. Als der Zug die Haltestelle Pestalozzistraße verließ, war er mit mehr als 50 Fahrgästen besetzt. Kurz vor Erreichen der Haltestelle Robert-Daum-Platz fuhr der Schwebebahnzug gegen 05:45 Uhr mit etwa 50 km/h gegen das am Fahrgerüst verbliebene Flacheisen in Höhe der Stütze 206. Dabei wurde das vordere Drehgestell vom Fahrzeug abgerissen. Daraufhin neigte sich der gesamte Zug nach unten, entgleise mit den verbliebenen Drehgestellen und stützt in das Flussbett. Mit dem Mittelteil stieß der abstürzende Zug auf eine den Fluss kreuzende Fernwärmerohbrücke, wodurch nur die beiden Endteile des Schwebebahnzuges in das etwa einen Meter tiefe Wasser der Wupper ragten. Das vordere Drehgestell stützte auf die linke Fahrzeugseite und brach in den Fahrgastraum ein. Bei dem Absturz wurden drei Fahrgäste direkt getötet, zwei weitere erlagen später in den Krankenhäusern ihren Verletzungen. Die insgesamt 47 Verletzten wurden in Krankenhäuser in Wuppertal, Remscheid und Solingen eingeliefert. Nach Alarmierung rückte die Feuerwehr mit 150 Mann zu Unglücksstelle aus. Die nahe gelegene Bundesstraße 7 wurde gesperrt und als provisorischer Hubschrauberlandeplatz genutzt. Aug ihr wurden auch zahlreiche Zelte zur Erstversorgung der Verletzten eingerichtet.

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte das Wrack des Schwebebahnzuges 4 und das Gerüststück am Unglücksort. In einer aufwendigen Bergungsaktion wurde der Wagen in den darauf folgenden Tagen mit einem 300-t-Mobilkran über ein Fabrikgebäude hinweg geborgen und auf einem Gelände der Genraloberst-Höppner-Kaserne auf Lichtscheid (Wuppertal-Barmen) eingelagert. Nach Abschluss der Gerichtsverhandlung wurde das Wrack verschrottet und nicht mehr ersetzt.

Das Wuppertaler Landgericht stellte später die Schuld des mit der Bauabnahme beauftragten Mitarbeiters der Montagefirma und eines Mitarbeiters der technischen Aufsichtsbehörde fest und verurteilte beide zu Bewährungsstrafen. Die Freisprüche der mit dem Abbau der Dilatationsüberbrückungen beauftragten Monteure wurden später vom Bundesgerichtshof aufgehoben.

Nachdem die beschädigten Gerüstteile ausgetauscht wurden, konnte der Schwebebahnbetrieb im Juni 1999 wieder aufgenommen werden. Als Konsequenz aus dem Unglück wurde die Abnahme der Bauarbeiten nun am Vormittag des Montags nach der Bauunterbrechung verlegt, um diese bei Tageslicht durchführen zu können. Gleichzeitig wird nun, auch wenn dies nach wie vor nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, jeden Morgen vor Betriebsbeginn jeweils ein Leerzug als Testzug von Vohwinkel und Oberbarmen auf die Strecke geschickt.

In der langen Betriebsgeschichte der Schwebebahn ereigneten sich weitere Unfälle und Betriebszwischenfälle. Im Folgenden sind die bekannten Ereignisse ausgelistet.

Der erste Unfall mit Beteiligung der Schwebebahn ereignete sich am 23. Januar 1903. Im Verlauf der Landstrecke bei Sonnborn war ein Fuhrmann auf seinen mit Heu beladenen Wagen geklettert, um die Ladung zu sichern. Dabei wurde er von einem Schwebebahnwagen erfasst und zu Boden geschleudert.

Die erste Kollision zweier Schwebebahnzüge ereignete sich am 11. April 1908 in der damaligen Station Rathausbrücke (heute: Alter Markt). Ein als Leerfahrt verkehrender Zug fuhr während des Fahrgastwechsels auf einen haltenden Regelzug auf. Der Motorwagen des auffahrenden Zuges wurde dabei mit dem führenden Drehgesell aus der Schiene gehoben, fiel aber nicht vom Gerüst. Bei dem Unfall erlitten fünf Fahrgäste Verletzungen.

Knapp neun Jahre später kam es am 1. Mai. 1917 erneut zu einem Auffahrunfall. Im Bereich der Haltestelle Wupperfeld war der Folgezug auf einen liegen gebliebenen Zug aufgefahren. Der gerammte Wagen entgleiste und stürzte in die Wupper. Einer der vier Fahrgäste wurde dabei verletzt.

Nach dem zweiten Weltkrieg ereignete sich der bekannte Vorfall mit dem Elefanten Tuffi. Als Werbeaktion ließ der Zirkus Althoff, der damals in Wuppertal gastierte, den jungen Elefanten zwischen den Station Alter Markt und Adlerbrücke mit einem Schwebebahnzug fahren. Das Tier geriet während der Fahrt in Panik und durchbrach die Seitenwand des Wagens und stürzte in das Flussbett der Wupper. Neben der Beschädigung am Fahrzeug bewirkte die Werbeaktion bei den zahlreich mitfahrenden Journalisten Verletzungen. Das Elefant überlebte den Sprung in den Fluss weitgehend unverletzt.

Am 11. September 1968 ereignete sich erstmals ein Unfall zwischen einem Lastkraftwagen und der Schwebebahn. Ein auf der Sonnborner Straße fahrender Gliederzug geriet im Bereich der Stütze 68 ins Schleudern. Der ausbrechende Hänger kollidierte dabei mit dem Stützpfeiler des Schwebebahngerüstes und knickte diesen ein. Dabei stürzten zwei Brücken des Schwebebahngerüstes auf die Straße bzw. den unfallauslösenden LKW. Alle Schwebebahnzüge konnten vor der Unglücksstelle gestoppt werden. Die Reparatur des beschädigten Gerüstes nahm etwa 10 Wochen in Anspruch. Seitdem sind viele Pfeiler, nicht nur an der Landstrecke, durch einen Anprallschutz (überwiegend Betonblöcke) geschützt.

Am 8.12.1970 entgleiste ein Schwebebahnzug in einer Langsamfahrstelle. Die Sicherungsmechanismen der Drehgestellkonstruktion bewahrenden den Zug vor einem Absturz. Am Folgetag wurde der Fahrbetrieb wieder aufgenommen.

Am 3.3.1984 wurde ein Schüler von einem Mitschüler vor eine einfahrende Schwebebahn gestoßen. Er fiel ins Fahrprofil, wurde jedoch vom Schutzrum zwischen dem Boden der Schwebebahnstationen und den Zügen vor schwereren Verletzungen bewahrt.

Nach Stilllegung der Wuppertaler Straßenbahn wurde der eigene Bahnkörper der Bahn im Verlauf der Bundesstraße 7 zum Grünstreifen umgebaut. Unweit der Station Landgericht an der Querung der B7 stieß GTW 22 am 24.01.1989 mit der aufgestellten Mulde eines Kippers zusammen. Dabei wurde der Zug im Seitenbereich beschädigt. Die Fahrgäste wurden von der Feuerwehr per Drehleiter geborgen. Eine Frau, die die Bahn nicht per Leiter verlassen wollte, wurde mit dem beschädigten Zug in die Station Landgericht gefahren.

Am 28. Juli 1992 entgleiste ein Schwebebahnzug in der damals noch vorhandenen Wendeanlage an der Station Zoo/Stadion. Der Zug war auf eine Gleissperre aufgefahren, die versehentlich nach Justagearbeiten am Gerüst verblieben war. Fahrgäste kamen nicht zuschaden.

Am 23. März 1997 fuhr ein Gelenktriebwagen aufgrund eines technischen Defekts auf den in der Haltestelle Oberbarmen Bahnhof stehenden, vollbesetzten Kaiserwagen auf. Dabei wurden 14 Fahrgäste des historischen Zuges verletzt; es entstand an beiden Fahrzeugen erheblicher Sachschaden. Beide Fahrzeuge wurden wieder instand gesetzt.

Nur eineinhalb Jahre später kam es im Bahnhof Alter Markt erneut zu einem Auffahrunfall. Der in Richtung Oberbarmen fahrenden GTW 24 fuhr auf den vorausfahrenden Wagen 13 auf, der in den Station den Fahrgastwechsel abwartete. In beiden Zügen wurden etwa 120 Personen verletzt. Unglücksursache war menschliches Versagen. Umbaubedingt war das Signalsystem ausgeschaltet, so dass auf Sicht gefahren wurde. Der Fahrer des Folgezuges hat offensichtlich den vorausfahrenden Wagen nicht bemerkt.

Am Nachmittag des 5. August 2008 wurde der vordere Teil des GTW 24 durch einen Kranausleger eines auf der Kasierstraße stehenden LKW aufgeschlitzt. Alle Insassen der Bahn konnten ohne schwerwiegende Verletzungen aus der Bahn geborgen werden.

Mit Ausnahme des am 12. April 1999 abgestürzten Gelenktriebwagens 4 wurden sämtliche Wagen nach ihren Unfällen wieder instand gesetzt. Über den Verbleibt des am 1. Mai. 1917 ebenfalls vom Gerüst gestürzten Wagens liegen keine Informationen vor.